WOMEN FOR FUTURESchon vor 50 Jahren gab es Umweltschützerinnen. Wofür wir ihnen danken sollten und warum es in der Klimakrise immer wichtiger wird, dass Frauen sich einsetzen.Die Bilder aus dem Fernsehen sind in unseren Köpfen noch recht präsent. Es ist Freitag. Greta Thunberg, die Haare trägt sie zu langen Zöpfen geflochten, sitzt vor dem schwedischen Parlament in Stockholm. Sie hält ein Schild hoch. „SKOLSTREJK FÖR KLIMATET“ („Schulstreik für das Klima“). Über ein Jahr später ist aus dem Mädchen die weltweit bekannteste Klimaaktivistin geworden. Eine Fünfzehnjährige, die andere Jugendliche animiert, gegen Zerstörung und Ausbeutung unseres Planeten zu kämpfen. „Fridays for Future“ ist geboren. Für ihre Ansichten segelt Greta auch zur UN-Klimakonferenz nach New York, um am 23. September 2019 in einer Rede schonungslos mit den Politikern abzurechnen. „Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme kollabieren. Wir sind am Anfang eines Massen-Aussterbens, und alles, worüber Sie reden können, sind Geld und Märchen vom ewigen wirtschaftlichen Wachstum. How dare you?!“ („Wie könnt ihr es wagen?!“). Dass ein Mädchen so lautstark und wütend reagiert, verwundert nicht. Soziologie-Professor Dr. Peter Preisendörfer hat 2007 in einer Rede gesagt: „Frauen äußern sich in stärkerem Maße als Männer besorgt, beunruhigt und auch empört und wütend über die ungelösten Umweltprobleme. Insbesondere gegenüber lokalen Umweltgefährdungen artikulieren Frauen eine größere Betroffenheit.“ Sind Frauen aber auch die besseren Umweltschützer? „Ein Mehr an Einsicht gibt es bei den Frauen insoweit, als Umweltbelastungen häufiger als ein wichtiges Problem anerkannt und eingeschätzt werden. Männer neigen eher dazu, Umweltprobleme zu verharmlosen oder zu bestreiten." Auf der Ebene der Handlungsbereitschaft sind Frauen stärker umweltbewusst sowohl mit Bezug auf ihr persönliches Umweltverhalten, als auch mit Bezug auf Handlungsaufforderungen gegenüber anderen. Frauen sind eher bereit, zugunsten des Umweltschutzes ihr eigenes Verhalten zu ändern, und sie fordern auch häufiger z. B. ein stärkeres Engagement des Staates und von Wirtschaftsunternehmen.“ Sein Fazit: „In der Gesamtschau gilt, dass sich Frauen im Durchschnitt umweltorientierter verhalten als Männer.“ [ 1] „Frauen kümmern sich vermehrt um Haushalt, die Kindererziehung und die unbezahlte Care-Arbeit. Diese Struktur ist ein Grund, warum Frauen mehr Engagement im privaten und weniger im öffentlichen Bereich zeigen“, sagt Diplom-Psychologin Josephine Tröger. Regionale Lebensmittel, ohne Plastikverpackung, biologisch abbaubare Reinigungsmittel und nachhaltige Kleidung sind vermeintlich eher Frauensache. Außerdem ist Umweltschutz noch immer kein Statussymbol. „In der Regel gilt: Wer grün handelt, wird häufig eher mit einem niedrigeren sozialen Status assoziiert. Gerade vielen Männern ist ihre eigene, gesellschaftliche Position meist wichtiger als Frauen und sie fürchten den Verlust durch bestimmtes Umweltengagement. In der Psychologie spricht man von der „bedrohten Männlichkeit“, wenn Männer plötzlich Umweltengagement in den Bereichen zeigen sollen, die vermeintlich eher den Frauen zugeschrieben werden, so Tröger. Ein möglicher Grund, warum sich mächtige Männer ungern schützend vor die Natur stellen. Bei einer Frau wäre das wahrscheinlich anders. Hat sie eine Führungsposition inne, handelt sie durchschnittlich umweltfreundlicher als gleichgestellte, männliche Kollegen. Gräbt man etwas in der Geschichte, sind es Wissenschaftlerinnen, wie Dian Fossey, Jane Goodall und Birutė Mary F. Galdikas, die bereits in den 1960ern und 70ern über unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, forschten. Oder Rachel Carson. Schon vor über 50 Jahren war sie eine Öko-Vorreiterin – lange vor der Klimakrise und Greta Thunberg. Die 1907 geborene Biologin, Zoologin und Autorin veröffentlichte 1962 das Buch „Silent Spring“ („Der stumme Frühling“) und zeichnete bereits in den ersten Zeilen ein düsteres Zukunftsmärchen. „Es war einmal eine Stadt im Herzen Amerikas (...), inmitten blühender Farmen mit Kornfeldern, deren Gevierte an ein Schachbrett erinnerten, und mit Obstgärten an den Hängen der Hügel, wo im Frühling wolkenweißer Blüten über die grünen Felder trieben. (...) Den Großteil des Jahres entzückten entlang den Straßen Schneeballsträucher, Lorbeerrosen und Erlen, hohe Farne und Wildblumen das Auge des Reisenden. Dann tauchte überall in der Gegend eine seltsame schleichende Seuche auf. (…) Irgendein böser Zauberbann war über die Siedlung verhängt worden: Rätselhafte Krankheiten rafften die Kükenscharen dahin; Rinder und Schafe wurden siech und verendeten. Über allem lag der Schatten des Todes. (...)“ Am Ende der Geschichte sind die Felder grau, die Bäume kahl, die Vögel zwitschern nicht mehr, denn sie sind verschwunden. Diese dystopische Welt will Carson in Wahrheit aber verhindern.[2] Ihr Buch sollte ein Weckruf sein, über DDT und anderen chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln aufklären, auf die Gefahr für Umwelt, Menschen und Tiere hinweisen. Das gelingt ihr, nur wenige Jahre später wird DDT verboten. Auch die Kenianerin Wangari Muta Maathai schrieb als Biologin und Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin vor über 40 Jahren Geschichte. Sie war nicht nur die erste Frau in Ost- und Zentralafrika, die einen Doktortitel an der Universität Nairobi erwarb, sie initiierte auch „The Green Belt Movement“ („Die Grüngürtel-Bewegung“). Obwohl Maathai als Professorin für Veterinäre Anatomie viel erreicht hatte, blieb sie ihrem geliebten Kenia mit seiner außergewöhnlichen Natur und seinen Wildtieren immer eng verbunden. Umso mehr muss es sie wohl schmerzlich getroffen haben, als sie von den Frauen aus ihrer Heimat erfuhr, dass die Regierung immer mehr Bäume abholzen ließ, um Tee- und Kaffeeplantagen anzulegen. Die Folge war, der Boden erodierte. Wo vorher ein Bach war, lag danach alles brach, war schlammig oder ausgetrocknet. Die Wüste drohte sich auszubreiten, die Menschen und Tiere zu verhungern. Maathai erkannte als eine der Ersten, dass das Elend mit der Abholzung der Bäume zusammenhing und gründete 1977 ein Wiederaufforstung-Projekt. Sie war der Ansicht, dass das die Lebensumstände verbessern würde, dass „Bäume auch ein Symbol der Hoffnung und des Friedens seien.“ In kleinen Gruppen begann sie den Boden wieder aufzuforsten. Weil sie den Helfern auch einen kleinen Lohn zahlte, wurde das Projekt schnell zum Erfolg – sozial wie ökologisch. Bislang wurden in der Region rund 51 Millionen Bäume gepflanzt. Dadurch hat sich Natur erholt und die Menschen konnten ihr Land wieder beackern, sich selbst versorgen. Für ihr Engagement wurde „Mama Miti“ (Suaheli für „Mama der Bäume“) 2004 der Friedensnobelpreis verliehen. [3] Alle zuvor beschrieben Frauen haben eines gemeinsam: Sie waren Umweltschützerinnen, starke Frauen, die viel für die Natur unseres Planeten erreicht haben, und Vorbilder für nachfolgende Generationen. Wie Antje Boetius. Die Meeresbiologin leitet seit 2017 das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Oder Asha de Vos, die als sri-lankische Pionierin in der Blauwal-Forschung im nördlichen Indischen Ozean gilt. In Kenia macht sich die Ökologin Paula Kuhumbu für den Schutz der afrikanischen Wildtiere stark und gründete die Initiative „Hands off our Elephants“, die Elefanten vor dem Abschlachten wegen Elfenbeins schützen soll. Erwähnenswert sind an dieser Stelle auch die Hamburgerinnen Wienke Reynolds und ihre Kollegin Joana Gil, die daran arbeiten, aus Stroh Kunststoff herzustellen – nachhaltig, abbaubar. Aber längst ist Umweltbewusstsein keine Bewegung, kein Trend mehr und nicht nur etwas für die Wissenschaft. Im täglichen Leben ist Umweltschutz unerlässlich. Zu offensichtlich sind die Probleme. Das erkannten auch die beiden Schwestern Isabel und Melati Wijsen, die 2013, mit gerade einmal zehn und zwölf Jahren, das Projekt „Bye, bye plastic bags“ gegründet haben, um ihre Heimat Bali und die umliegenden Meere von dem Müll zu befreien. 2018 beschloss die balinesische Regierung Einweggeschirr, Trinkhalme und Säcke zu verbieten – nicht zuletzt aufgrund des unermüdlichen Einsatzes von Isabel und Melati. Oder die Kenianerin Phyllis Omido. Als 2009 ihr Sohn zur Welt kam, hatte er eine Bleivergiftung. Wie war es dazu gekommen? Die Schwermetalle waren durch die Bleischmelze umliegender Fabriken in die Umwelt gelangt, hatten sich im Brustgewebe der stillenden Mutter angesammelt und wurden dem Säugling über die Muttermilch verabreicht. Allerdings hatte er Glück im Unglück. Gerade noch rechtzeitig bekam er die richtigen Medikamente und wurde wieder gesund. Andere Kinder haben da nicht so viel Glück, werden nie wieder richtig gesund oder sterben. Dagegen kämpft Omido und gegen die schmutzigen Schwermetall-Abfälle der Fabriken, klagt sogar gegen sie. Phyllis Omido ist ein Beispiel dafür, dass vor allem Frauen und Kinder unter schlechten Umweltbedingungen leiden. Rückblende und Ortswechsel: 26. Dezember 2004. Kurz vor zwei Uhr nachts (Mitteleuropäische Zeit). Indischer Ozean. Rund 250 Kilometer süd-südöstlich vor der Insel Sumatra ereignet sich ein Seebeben der Stärke 9.1. Es ist eines der stärksten jemals gemessenen. Die Folge: ein Tsunami. Bis zu 20 Meter hohe Flutwellen erreichen nur eine halbe Stunde später Sumatra und die Nikobaren und zerstören ganze Landstriche. Häuser werden einfach weggespült, Menschen verlieren ihr Leben. Insgesamt sind 14 Länder, darunter Indonesien, Thailand, Sri Lanka, Indien, aber auch Somalia, Kenia und Tansania, betroffen. Rund 230 000 Menschen kommen in den Fluten um. 2005 stellte Oxfam in einem Bericht über die Umweltkatastrophe und ihre Folgen fest, dass „das Geschlecht eine Rolle spielt, wie Menschen von Katastrophen betroffen sind.“ So starben in etwa drei- bis viermal so viele Frauen in den Fluten, als Männer. Die Gründe sind unterschiedlich und profan: Die Frauen verbrachten die Zeit zuhause bei den Kindern, während einige Männer auf dem Meer fischten und von der Monsterwelle nichts weiter mitbekamen, außer vielleicht ein stärkeres Schaukeln. Die meisten Mädchen und Frauen konnten nicht schwimmen. In ihren umschlungenen Tüchern blieben sie viel leichter irgendwo hängen und ertranken. Man muss kein Feminist sein, um zu verstehen, dass Umweltschutz Frauenschutz bedeutet, dass es für unsere Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, sich für bessere Lebensbedingungen für Frauen und Mädchen einzusetzen. Durch die Arbeit von Umweltschützern verstehen Gesellschaft und Politik langsam, dass man Gutes für unseren Planeten tun kann, tun soll, tun muss, damit wir alle zuversichtlich nach vorne blicken können. Klimakrise als Chance für Frauen? „Wenn Frauen ihre Power einsetzten und an Entscheidungen mitwirkten, wäre das ein Türöffner. Wenn Umweltschützerinnen einflussreiche Berufe wählen, sich um Listenplätze bei Parteien bewerben, und in allen Bereichen Klimaschutz auf die Agenden bringen würden, wäre das eine sehr wirksame, fortschrittliche Entwicklung! Wenn Umweltschützerinnen einflussreiche Berufe wählen, sich um Listenplätze bei Parteien bewerben, und in allen Bereichen Klimaschutz auf die Agenden bringen würden, wäre das eine sehr wirksame, fortschrittliche Entwicklung! Denn neue Studien konnten zeigen, dass sich Frauen in politisch wichtigen Positionen stärker für Infrastrukturen einsetzen, die ihnen eher eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen, etwa im Bereich von Kita-Ausbau – und ähnlich ist es mit umweltpolitischen Handlungsfeldern. Sitzen mehr Frauen in den Parlamenten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Umweltpolitik gemacht wird“, sagt Tröger. Das wäre sozial, ökologisch und ökonomisch ein Mehrwert. Bis es so weit ist, Frauen ihre Kräfte mobilisieren und noch aktiver werden, gibt es Umweltschützerinnen, die uns vormachen, wie es gehen kann. Sie verdienen es, dass man sie hochleben lässt, weil ihr Aktionismus unserer Natur und damit uns Menschen gilt und sie uns immer wieder zeigen: Macht was! Wir sind die Zukunft, Umweltschutz geht uns alle an! [1]https://www.researchgate.net/publication/310137174_Gender_und_Natur_Sind_Frauen_die_besseren_Umweltschutzer [2]https://books.google.de/books?id=6RlzDgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=rachel+carson+silent+spring&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjqsfnSgtvnAhURuaQKHc1iByUQ6AEILjAA#v=onepage&q=rachel%20carson%20silent%20spring&f=false [3] https://www.greenbeltmovement.org/ *Aufgrund des besseren Leseflusses verzichte ich an dieser Stelle auf *innen. In jedem Fall sind beide Geschlechter gemeint.
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