Berühre mich!Seit drei Jahren kuscheln Imke Pahlke (55) und Peter Rombach (53) professionell mit Fremden und organisieren sogar spezielle Partys. Ein Blick hinter die Kulissen gibt tiefe Einblicke in ungeahnte Sehnsüchte.Die Bären liegen schon mal dicht aneinander. Ob das bei Menschen auch so geht? Foto: pixabay In wenigen Minuten treffen alle angemeldeten Gäste ein und verwandeln das Zuhause von Imke Pahlke und Peter Rombach in eine Party. Eine Kuschelparty. Unter Anleitung der beiden Gastgeber können sich fremde Menschen vier Stunden lang berühren, streicheln, umarmen. „Das ist der Sinn der Veranstaltung“, sagt Imke Pahlke. Die Idee dazu stammt ursprünglich aus dem Mekka der Trends, aus New York, und schwappte vor einigen Jahren nach Europa über. Heute gibt es in fast jeder größeren Stadt eine Kuschelparty. Und seit drei Jahren auch in Kiel. Eigentlich ist Imke Pahlke Buchhalterin. Sie hat ein Talent für Zahlen, Rechnen liegt ihr. Allerdings spürte sie vor ein paar Jahren eine undefinierte Sehnsucht nach mehr. Sie probierte einiges aus und kam zu Reiki und zur Methode des Handauflegens. „Das fand ich spannend. Ich lernte, dass ich mit meinen Händen Energie bündeln und an andere und mich selbst weitergeben konnte.“ Von nun an betrachtete sie ihre Hände als wertvolles Geschenk und Berührung als etwas, womit sie die Selbstheilungskräfte und das Immunsystem im Körper ankurbeln und stärken, leichte Schmerzen vertreiben und generell mehr Energie in den Körper bringen konnte. Mittlerweile sind alle Teilnehmer der heutigen Kuschelparty angekommen. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft und mit unterschiedlichen Geschichten. Aber alle haben eines gemeinsam, sie sind nervös. Manche freudig, weil sie wissen, was kommt. Andere sind angespannt. Ihre Gesichter drücken Unsicherheit und Unwissenheit aus. Vor allem für diejenigen, die zum ersten Mal dabei sind, wirkt alles ein wenig unheimlich. Nicht wenige stellen sich die Frage: „Wo bin ich hier gelandet? Auf was lasse ich mich gerade ein? Soll ich gehen oder bleiben?“ Imke weiß um die Unsicherheiten ihrer Gäste und zeigt Verständnis. „Als ich an meiner ersten Kuschelparty teilgenommen habe, hatte ich auch ein seltsames Gefühl. Und ohne Peter hätte ich mich auch nie getraut“, so die sympathische Kielerin. Genau deswegen sei ein sanfter Start und langsamer Einstieg ins heutige Kuscheln auch so wichtig. Denn keiner soll durch die neue Situation überfordert werden oder sich unwohl fühlen. Imke und Peter bitten die Männer und Frauen in das Wohnzimmer zu einer allgemeinen Vorstellungsrunde und fangen bei sich selbst an. „Gekuschelt habe ich selbst immer schon gerne“, erzählt Imke. „Früher mit meiner Tochter, dann mit Peter.“ Weil ihr Lebenspartner selbst begeisterter Kuschler ist, besuchten sie vor mehr als drei Jahren eine Kuschelparty in Hamburg. Die hatte ihnen dann so gut gefallen, dass sie beschlossen, so etwas auch in Kiel anzubieten. „Schließlich sind wir Menschen soziale Wesen und brauchen Berührungen. Aber nicht jeder hat die Möglichkeit, sein Bedürfnis nach körperliche Nähe ausreichend zu stillen. Manche haben Partner, die keine Zeit oder Lust auf Streicheleinheiten haben. Andere sind verwitwet oder hatten noch nie einen Freund oder Freundin. Ich habe das Bedürfnis, Menschen diese Form der Körperlichkeit zu geben - als Gruppenerlebnis aber auch beim Einzelkuscheln“, erklärt Imke ihre Beweggründe. Gerade ältere Menschen leiden häufig unter fehlenden Berührungen und Einsamkeit. Foto: pixabay Die Gäste hören interessiert zu, stellen Fragen, reden mit. Langsam, ganz langsam tauen die Teilnehmer auf. Das spüren Imke und Peter und nutzen die Stimmung aus. Sie leiten ihre Gäste zu freiem Tanzen an. Die können sich nun im Raum bewegen, wie es ihnen gefällt und guttut. Einige wippen sanft hin und her wie Gräser im Wind. Andere nehmen die Arme mit. Wichtig ist: Jeder kann, niemand muss. Alles soll locker sein. Und damit das auch so bleibt, erklären die Gastgeber auch die No-Go's jeder Party. Denn eines ist klar, das hier hat nichts mit Sex zu tun. Alle Gäste behalten ihre Kleidung an, Küssen ist Tabu. Niemand berührt den anderen im Schambereich oder auf der Brust. Außerdem ist jeder Teilnehmer für sein Wohlbefinden selbstverantwortlich und kann jederzeit eine Pause einlegen, aus der Übung rausgehen oder auch aussetzen. Möchte jemand an einer Körperstelle nicht von jemanden berührt werden, kann er das äußern, natürlich ohne den anderen dabei zu verletzten. Und der andere hat das zu respektieren. Es geht darum, die eigenen Grenzen zu spüren, sie einzuhalten und das auch von anderen einzufordern. Beim professionellen Kuscheln gibt es Bereiche, die tabu sind. Foto: pixabay Jetzt geht es ab nach oben in das ehemalige Kinderzimmer der Tochter. Dort ist schon alles vorbereitet. Matratzen und Kissen liegen verteilt auf dem Boden. Nun beginnen Peter und Imke mit ihrem eigentlichen Programm. Zunächst lernen sich die Gäste in kleinen Gesprächsgruppen noch näher kennen. Zum netten Plausch kommen leichte Berührungen der Hände und Finger hinzu, wer möchte, kann sich kurz umarmen. Auch Umarmungen mit nur einem Partner sind erlaubt. Foto: pixabay Es folgen die „Wünsch-dir-was“- oder die Schnecken-Übung. Imke und Peter wechseln ihr Programm von Mal zu Mal ab, wandeln es um, ändern die Reihenfolge der Übungen. Schließlich soll keine Langeweile aufkommen - es kann ja sein, dass man wiederkommen möchte. Jede Party endet mit freiem Kuscheln, zu zweit mit dem Partner seiner Wahl oder auch in der gesamten Gruppe wie ein Welpenhaufen. „Das ist ein besonders intensives Erlebnis.“ Und dann sind die vier Stunden auch schon wieder vorüber. Was hat sich verändert? „Die Gäste sind viel entspannter. Sie gehen immer zufrieden und mit einem Lächeln“, sagt Imke. Nach der Kuschelparty sind die meisten Gäste völlig entspannt. Foto: pixabay Grund dafür ist das Kuschelhormon Oxytocin, das bei Berührungen frei wird. Höchstwahrscheinlich sind die Teilnehmer mitunter auch froh, sich auf die Kuschelparty eingelassen zu haben und stolz auf sich, nicht gegangen zu sein. Ein Hoch auf den Mut und die Kuschelpartys! http://www.kuscheln4you.de/
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