Das kommt uns nicht in die Tüte!Was für ein Haufen Plastikmüll! Foto: pixabay/stux Als Vanessa Riechmann und Erdmuthe Seth von der riesigen Plastikmüllinsel im Pazifischen Ozean hören, sind sie entsetzt. Ebenso wie von der Tatsache, dass Weichmacher im Plastik im Verdacht stehen krebserregend zu sein. Sie beschließen, etwas zu tun und ab nun auf Plastikverpackungen zu verzichten. Sie starten ihren Blog Alternulltiv und schließen sich der Zero Waste Bewegung an.Aber ist ein Leben ohne Plastik, ohne Verpackungsmüll überhaupt möglich? Erdmuthe erzählt mir, wie aus einer Idee Wirklichkeit wurde.Erdmuthe (li.) und Redakteurin Verena unterhalten sich über Nachhaltigkeit, Alternulltiv und das Lebensmodell "Plastikfrei". Foto: Keine Macht dem Einheitsbrei Rückblick: Seit den 1950er Jahren ist das Material Kunststoff sehr beliebt. In der Nachkriegszeit galt es als modern, und es dauert nicht lange, da zog es in Form von Plastikgeschirr, Nylonstrümpfen usw. in die Haushalte ein. Aber wurden in dieser Zeit gerade einmal zwei Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt, waren es 2014 bereits 311 Millionen, die irgendwann als Abfall endeten.Laut dem Umwelt Bundesamt fielen in Deutschland 2016 insgesamt 18,2 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an. Dies entspricht 220,5 kg Verpackungsabfall pro Kopf. Im Vergleich dazu lag der Pro-Kopf-Verbrauch in der EU 2015 bei 167,3 kg pro Kopf. Und der Abfall muss entsorgt werden. Da Kunstoffe sehr lange haltbar sind und schlecht bis gar nicht verrotten, landen sie häufig im Meer, wo sie von den Strömungen verwirbelt und in Schach gehalten werden. Einer im Fachmagazin Science veröffentlichten Studie zufolge, waren im Jahr 2010 schätzungsweise zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikabfall vom Festland in die umliegenden Meere gelangt.1997 entdeckte der amerikanische Ozeanograf, Charles Moore, was er zuvor nur vermutet hatte: Vor Hawaii trieb eine aus Plastikabfall bestehende, riesige Müllinsel, der "Great Pacific Garbage Patch." Das Problem dabei, Fische, Schildkröten, Delfine verfangen sich darin und kommen qualvoll um. Aber nicht nur das, der Kunststoff in den Meeren wird durch UV-Licht, Wasser, Salz zu Mikroplastik abgebaut, von Meerestieren gefressen, die dann auf unseren Tellern, die Plastikpartikel in unseren Körpern landen. Zusätzlich nehmen wir Weichmacher, die zur Herstellung von Plastik dienen, und in Zahnpasta, Peelings usw. vorkommen, auf. Sie stehen im Verdacht krebserregend zu sein.Ich treffe Erdmuthe und ihren kleinen Sohn in ihrer Wohnung in Hamburg. Sofort fällt mir auf, es gibt keinen Fernseher, viel Holz und echt wenig Plastik. Keine Macht dem Einheitsbrei: Erzähl' mal, wie hat alles seinen Anfang genommen? Erdmuthe: Vanessa und ich haben uns 2011 kennengelernt, als wir beim Musical Sister Act zusammen gearbeitet haben. Das Lustige, ich bin 2013 in die jetzige Wohnung gezogen und Vanessa wohnte in meiner Nachbarschaft. Wir haben uns öfter getroffen und sind im Gespräch auf Themen wie Nachhaltigkeit, Umwelt, Plastik, Mikroplastik usw. gekommen. Vanessa hatte im Fernsehen einen Bericht über eine Familie gesehen, die eine Woche lang völlig auf Plastik verzichtet hatte. Das interessante dabei war, das Ergebnis der Blutuntersuchung. Bereits nach einer Woche konnte weniger Mikroplastik im Blut nachgewiesen werden. Kmde: Beeindruckend! Erdmuthe: Das fanden wir auch. Zusätzlich habe ich in der Zeitung von den großen Müllinseln in unseren Ozeanen gelesen. Wir wussten, dass wir etwas tun mussten. Unsere Idee: Verpackungsmüll und Plastik vermeiden. Vanessa und Erdmuthe verzichten auf To-Go Becher zum Wegwerfen. Foto: Alternulltiv Kmde: Wie habt ihr es geschafft, eure Idee wahr werden zu lassen? Erdmuthe: Wir haben einen Blog der New Yorkerin Lauren Singer von Trash is for Tossers gesehen und uns gedacht: „Wenn die das in New York schafft, schaffen wir das in Hamburg auch.“ Wir wollten es einfach mal ausprobieren. Unsere Erfahrungen haben wir dann auf unseren Blog Alternulltiv gepackt, den wir 2015 starteten. Kmde: Womit hast du angefangen? Was hast du sofort geändert? Erdmuthe: Nach einem Rezept von Lauren Singer habe ich zunächst selbst Zahnpasta hergestellt. Das war sehr einfach, denn hierfür braucht man nur Kokosöl, Natron und Pfefferminzöl. Die DIY-Zahnpasta besteht nur aus drei Zutaten. Ist sie aufgebraucht, macht Erdmuthe einfach welche nach. Rezept auf www.alternulltiv.de Foto: Alternulltiv Kmde: Das scheint wirklich einfach zu sein! Erdmuthe: Ist es auch. Anfangs habe ich auch Geschirrspülmittel selbst gemacht. Aber seit es in Hamburg Unverpacktläden gibt, wo man auch das bekommt, kaufe ich es wieder. Bevor es die Art von Läden gab, mussten wir natürlich viel gucken, wo wir zum Beispiel Reis und Nudeln unverpackt kriegen konnten. Obst und Gemüse, aber auch Käse und Joghurt habe ich am Markt gekauft. Das ging gut. Kmde: Das heißt, wenn man sich nur gut genug umschaut, findet man gute Alternativen zu Plastikverpackungen? Erdmuthe: Ja, im Großen und Ganzen ist das so. Als wir begonnen haben unseren Lebensstil zu ändern, dachten Vanessa und ich, wir könnten nie wieder Tomatenmark verwenden. Wir beide kannten es nur aus Alutuben. Nach einiger Zeit fanden wir Tomatenmark im Glas. Kmde: Aber was ist mit Putzmitteln, Hygieneartikeln und Klopapier? Erdmuthe: Ich putze mit Essig oder Essigessenz, die ich verdünne. Und Natron verwende ich, das ist sowieso das Müllvermeidungs- und Haushaltsmittel schlechthin. Damit kann man nahezu alles machen: Das ist in der Zahnpasta, man kann es zum Backen und Putzen nehmen, sogar wenn man Bauchschmerzen hat. Statt Tampons kann man Menstruationstassen aus Silikon verwenden, das scheint unbedenklich für den Körper zu sein. Toilettenpapier kaufen wir bei Smooth Panda, es besteht aus Bambusfasern. Deocreme mache ich selbst, Vanessa schwört auf ihren selbst gemachten Deospray. Die Rezepte sind auf unserem Blog zu finden. Die Deocreme besteht aus Stärke, Natron, Kokosöl, Sheabutter und ätherischem Öl nach Wahl. Foto: Allternulltiv Kmde: Wobei, ganz plastikfrei geht es doch nicht, oder? Erdmuthe: Nein, das ist richtig. Ich verwende ja auch einen Computer und ein Handy. Ich besitze auch noch ein paar Tupperdosen, die zu gut erhalten sind, um sie wegzuschmeißen oder zu verschenken. Aber andere Plastikdosen habe ich verschenkt und durch Edelstahl ersetzt. Kmde: Wie gut klappt euer Lebensstil mit Kind? Erdmuthe: Das funktioniert super. Meine Mutter hat bereits drei Kinder mit Stoffwindeln gewickelt, wieso sollte ich das nicht auch schaffen. Stoffwindeln sind also eine Option. Spielzeug aus Holz anstelle Plastik. Aber natürlich, wir haben für unseren Sohn auch Dinge aus Plastik bekommen, die wir nicht so toll fanden. Kmde: Und die habt ihr nicht weggegeben? Erdmuthe: Nein. Man will ja niemanden vor den Kopf stoßen. Nicht jeder versteht unseren Lebensstil. Aber wir lassen uns davon nicht beirren. Wir nehmen das Geschenk an, wir wissen ja, dass unser Sohn nicht ewig damit spielen wird und wir es weitergeben können. Kmde: Gab es etwas was dir Schwierigkeiten bereitet hatte? Wieviel Disziplin gehört zu diesem Lebensstil? Erdmuthe: Schwierigkeiten nicht direkt. Man bekommt alles irgendwie hin. Aber ich liebe dunkle Schokolade und bin sehr wählerisch was den Geschmack betrifft. Wenn man in einen normalen Supermarkt geht, findet man diese Sorten nur verpackt – oft in Alu und nochmal in Papier oder Plastik. Im Feinkost- oder Süßigkeitengeschäft bekommt man sie weniger oder auch gar nicht verpackt. Aber die haben mir dann nicht geschmeckt. Fündig geworden bin ich dann bei einem Konditorei-Großhandel, wo man große Packungen kaufen kann. Das mache ich dann einmal im Jahr. Der Kompromiss: eine größere Verpackung anstelle vieler kleiner. Das spart noch immer viel an Verpackungsmüll. Aber ansonsten erfordert der Lebensstil nicht viel Disziplin. Zum Beispiel liebe ich Eis. Aber ich kann ja zum Eisladen gehen und mir eines in der Waffel kaufen, statt ein verpacktes. Kmde: Aber du planst doch deine Einkäufe genauer? Erdmuthe: Ich schreibe Einkaufszettel. Die verschaffen mir schnell einen Überblick was im Haushalt fehlt und was ich einkaufen muss. Ich fahre einmal pro Monat zum Unverpacktladen und kaufe dort Lebensmittel wie Reis, Mehl usw. Und einmal pro Woche fahre ich zum Markt und kaufe Gemüse und Obst, Käse usw. Oder ich gehe zum Biosupermarkt und kaufe dort frische Lebensmittel ein. Das ist alles. Obst und Gemüse vom Markt geht auch ohne viel Verpackungsmüll. Foto: Alternulltiv Kmde: Wie lange hat der Prozess gedauert, bis du es geschafft hast nur noch ein kleines Marmeladenglas Müll zu produzieren? Erdmuthe: Das hat sicherlich ein paar Monate gedauert. Und dauert noch an. Immer noch sehe ich Dinge, die ich irgendwann durch etwas anderes ersetzten will. Aber es geht nicht von heute auf morgen. Wenn man damit beginnt sein Leben auf plastikfrei umzustellen, kann man und soll man auch nicht alles sofort wegwerfen. Sondern zunächst sollte alles aufgebraucht werden - Kosmetika aber auch Lebensmittel in der Küche. Wenn wir ehrlich sind, dann kaufen wir ein und schieben es immer weiter nach hinten in den Schrank. Irgendwann wissen wir gar nicht mehr, was wir alles haben. Also, alles aufbrauchen, alles leer essen. Kmde: Super Tipp! Gibt es noch mehr? Erdmuthe: Ja, da gibt es so einiges zu erzählen. Alles ist auf unserem Blog für jeden nachlesbar. Infos unter www.alternulltiv.de Kmde: Mittlerweile gebt ihr ja auch sogar Workshops "Leben ohne Plastik" an der VHS in Hamburg! Welche Tipps habt ihr für die Einsteiger? Erdmuthe: Wie vorhin schon erwähnt, zunächst sollte alles im Haushalt aufgebraucht oder verschenkt werden. Keinesfalls alles wild wegschmeißen. Das ist nicht der Sinn der Sache. Dann, verwendet keine Plastiktüten beim Einkaufen. Packt lieber die gute Jute in jede Tasche, dann habt ihr auch etwas dabei, falls ihr einmal spontan einkaufen wollt. Bitte lasst die Coffee-To-Go Becher weg. Die verbreiten so viel unnötigen Müll, den keiner braucht. Dafür gibt es Alternativen ohne Müll, die nicht teuer sind und fast jeder Zuhause hat. Ich denke mir immer, wie hätte meine Oma oder Uroma etwas gemacht. Und so bin ich auf die Idee gekommen, Tee in ein Marmeladenglas zu füllen. Das ist hitzebeständig. Solche Dinge geben wir unseren Workshop-Besuchern mit auf den Weg. Aber wir möchten niemanden zu etwas zwingen, was er nicht möchte, oder mit dem erhobenen Zeigefinger umherlaufen und andere bekehren oder belehren. Uns geht es nur darum, Menschen zu inspirieren und auf neue Ideen zu bringen. Aber jeder soll das so machen, wie es für ihn/sie angemessen und angenehm ist. Es geht um die Frage, was will ich für mich, für die Umwelt, für die Zukunft unseres Planeten. Und meine Antwort ist: Ich will meinen Beitrag leisten - so gut ich kann. Vanessa und Erdmuthe produzieren höchstens ein Marmeladenglas Müll pro Monat. Foto: Alternulltiv Taschen für AfrikaSarah Müller (27) hat das geschafft, wovon andere träumen: Sie hat ihr eigenes Label gegründet und tut damit noch etwas Gutes. Was das ist und was das alles mit Kenia zu tun hat, erzählt sie mir im Tischgespräch.Als wir uns an diesem Montag zum Interview treffen, begrüßt mich eine junge blonde Frau mit einem strahlendem Lächeln in ihrer Wohnung und Atelier in Musberg bei Stuttgart. Wir setzen uns, es gibt Kaffee und eine Aprikosentorte von der Oma. Kmde: Du bist gelernte Schneiderin und textile Produktentwicklerin, hast vor ein paar Jahren dein eigenes Label gegründet. Woher hast du deine kreative Seite? Sarah: Kreativsein war Zuhause immer schon ein Thema. Meine Eltern sind beide Innenarchitekten und haben mich auf Ausstellungen oder Möbel- und Designmessen mitgenommen. Das prägt natürlich. In der Realschule habe ich dann selbstständig damit angefangen zu nähen. Zum Beispiel schnitt ich alten T-Shirts die Ärmel ab und nähte etwas an. Das sah ganz fürchterlich aus, hat mir aber wahnsinnig Spaß gemacht. Damals hatte ich schon den Traum, irgendwann eine kleine Kollektion zu haben und die vielleicht auf einer Messe zu verkaufen. Und weil ich so gerne nähte, machte ich auch ein Praktikum in einem kleinen Atelier hier in der Nähe. Danach war ich fest entschlossen: Ich will Schneiderin werden. Nicht viele Jugendlich wissen genau, was sie später mal machen möchten ...
Ich wusste es genau, ich war mir meiner Sache ziemlich sicher. Wie haben deine Eltern auf deine Entscheidung reagiert? Meine Eltern dachten, ich würde vielleicht auf das Gymnasium gehen. Denn meine Noten waren richtig gut. Aber ich suchte mir einen Ausbildungsplatz bei Hugo Boss und dann war ihnen klar, dass ich es ernst meine. Und wie ging es dann weiter? Ich machte drei Jahre lang eine Ausbildung zur Modeschneiderin und absolvierte danach ein Gesellenjahr im Bereich Sportswear. In dieser Zeit habe ich noch so viel mehr von dem Handwerk gelernt. Denn als Geselle sitzt du wirklich nur an der Nähmaschine, bekommst ein Muster und das nähst du dann. Da bekam ich viel Übung und Routine. Nach dem Jahr wechselte ich auf die Staatliche Modeschule in Stuttgart und machte eine zweijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Produktentwicklerin. Da lernte ich viel über Design und Schnitt. Bereiche, die ich vorher nicht so kannte. Das waren intensive aber schöne Jahre, die Ausbildung machte mir viel Spaß. Dann begann ich wieder bei Hugo Boss als Trainee zur Produktentwicklerin an. Was hast du da genau gemacht? Da war ich quasi die Schnittstelle zwischen Design, Schnitte und Produktion. Ich musste mich damit auseinandersetzen, wo die Teile produziert werden, mit den Kunden und Händlern, … Ich konnte mir sogar eine der Produktionsstätte in Izmir angucken und habe zwei Woche selbst mitgearbeitet. Das war interessant. Aber nicht alles. Du hast gemerkt, dass dir das nicht reicht? Irgendwie war ich noch nicht dort, wo ich hingehöre. In meiner Ausbildungszeit hatte ich so viel gelernt und jetzt konnte ich nur einen Bereich davon anwenden, genäht habe ich kaum noch. Das war mir zu wenig. Ich wollte alles anwenden. Aber ich wusste, ich wollte andere auch unterrichten. Während der Ausbildung zur Produktentwicklerin kam es dazu, dass ich den Kollegen immer wieder mal beim Nähen ausgeholfen oder ihnen etwas erklärt habe. Das war mein großer Vorteil, ich hatte sehr viel Näherfahrung – im Vergleich zu anderen. Und wie bist du nach Afrika gekommen? Meine Zeit als Trainee bei Hugo Boss ging zu Ende und als sie mir dann eine Stelle anboten, habe ich sie ausgeschlagen. Ich wusste, ich möchte noch mal raus, noch etwas erleben und unbedingt mal nach Afrika. Ich fand, jetzt war die Zeit reif dafür. Wie haben deine Eltern auf deine Entscheidung reagiert? Die waren zunächst nicht begeistert. „Jetzt will das Mädel auch noch nach Afrika." Aber im Endeffekt haben sie mich verstanden. Und dann war es ein Bekannter meiner Mutter, der mir von dem Projekt „Karai Childrens Vocational Center“ in Kenia erzählte, das von der Keniahilfe Schwäbische Alb organisiert ist. Das Projekt gibt Kindern und Jugendlichen in Kenia ein Zuhause, sie erhalten eine Schul- und Berufsausbildung zum Schneider, Friseur, Schreiner oder Elektriker. Hilfe zur Selbsthilfe quasi. Über die Keniahilfe Schwäbisch Alb bekam ich im September 2016 die Möglichkeit nach Afrika zu reisen und vor Ort in der Berufsschule Nähen zu unterrichten. Wahnsinnig mutig... Finde ich gar nicht. Ich hatte ja deutschen Ansprechpartner und wusste, auf was ich mich einlasse. Klar, ich war zuvor noch nie in Afrika gewesen, aber das fand ich spannend. Und ich wollte Kenia nicht als Touristin kennenlernen, sondern in die Kultur und das Land eintauchen und vor Ort mithelfen. Außerdem ging es nur um ein halbes Jahr und war nie geplant, dass ich verlängern oder ein eigenes Projekt starten würde. Wie ging es dann vor Ort weiter? Ich bin ganz nett aufgenommen worden und habe mir zuerst eine Woche lang den Nähunterricht angeguckt. Dann habe ich angefangen, mit den Schülerinnen, Handytaschen zu nähen, und reparierte die Maschinen. Kannst du das? Ich dachte, ich könnte es nicht. Aber wenn man sich länger damit beschäftigt, stellt man fest: Es geht doch. Aber du hast ja noch mehr getan! Kurz nachdem ich angekommen war, machte die Schule im Oktober und November Ferien. Aber ich war ja nur sechs Monate in Kenia und wollte den Schülern auch etwas mitgeben, etwas beibringen. Deshalb fragte ich die Schülerinnen, ob sie nicht Lust hätten, auch in den Ferien in die Schule zu kommen. Das fanden sie gut. Unter den Mädchen war auch Carolin, die hatte in der Berufsschule ihren Abschluss als Schneiderin gemacht, fand aber keine Arbeit. Wir hatten überlegt, was wir tun könnten, um einen Arbeitsplatz zu schaffen. Und dann fielen mir die vielen Zucker-, und Baustoffsäcke auf, die überall herumlagen. Die haben wir gesammelt, gereinigt und angefangen daraus Taschen zu nähen. Anfangs waren es nur Caro und ich. So ist dann das Projekt und Label Nyuzi Blackwhite entstanden. Nyuzi ist Suaheli und bedeutet Fäden auf Deutsch. Du hast damit angefangen, die Taschen zu verkaufen? Nachdem meine Zeit in Kenia abgelaufen war, bin ich im März nach Deutschland zurück und hatte rund 30 Taschen mit im Gepäck. Zuhause bin ich zum Gewerbeamt, habe mein Unternehmen angemeldet und bin auf den nächsten Flohmarkt. Zunächst hatte ich wenig Erfolg. Auf einem lokalen Ostermarkt ging es dann aber viel, viel besser und ich verkaufte tatsächlich unsere Taschen. Da wusste ich, ich musste weitermachen. Und seitdem mache ich das so. Das Prinzip funktioniert? Es hat es sich super entwickelt. Ich startete mit Caro und jetzt sind noch vier weitere junge Frauen bei dem Projekt an der Schule angestellt. Ich bin ihre Mentorin und Einkäufer. Alle paar Monate fliege ich nach Kenia und wir arbeiten neue Muster und Taschenmodelle aus. So konnten wir über die Zeit unsere Produktpalette erweitern und gewinnen stetig mehr Kunden. Ich kaufe die Taschen ein und verkaufe sie auf lokalen Märkten und über das Internet auf Etsy. Das garantiert die Arbeitsplätze der Schneiderinnen und ihre Löhne. Und bisher funktioniert das gut. Was sagen deine Eltern heute? Ich denke, sie sind stolz auf mich. Beide besuchten mich schon in Kenia und meine Mama macht den Online-Shop, wenn ich nicht da bin. Ist dir bewusst, dass du eine Vorreiterrolle hast? Das, was ich tue, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich denke, wir, denen es wirtschaftlich gut geht, haben Verantwortung und ich denke mir, wenn wir uns das nicht trauen, wer denn sonst. www.nyuzi-blackwhite.de |
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